real but not actual, ideal but not abstract
22.03. — 05.04.2019
Eröffnung: 22. März 2019, 19 Uhr
Finissage: 05. April 2019, 19 Uhr
Öffnungszeiten: 23., 29. und 30. März 2019, jeweils 15 – 18 Uhr und nach Vereinbarung.
Fotografische Bildkonstruktionen
Mit eindeutigen medialen Zuschreibungen wird man Daniela Zeilingers Arbeiten nur
unzureichend gerecht, selbst wenn die Fotografie während des gesamten
Bildherstellungsprozesses und auch im Endeffekt das aktive Moment ist. Die
Künstlerin konfrontiert uns mit abstrakten Bildkonstruktionen, in denen sich
Wesenszüge von Zeichnung, Malerei, Collage und Cut-Out mit digitalen Verfahren
und analoger Fotografie überlagern. Im Zusammenspiel dieser so unterschiedlichen
Techniken verweisen die Bilder stets auf ihren Konstruktionscharakter. Dem Wesen
der Malerei scheinen sie damit weitaus näher als dem der Fotografie, denn – so
das tradierte Wissen über beide Medien – Malerei ist ikonisch, Fotografie
indexalisch.
In Ihrem Aufsatz „Jedes Ende ein Anfang, Mechanik des Flüssigen und/oder Malerei
im Zeitalter der fotomechanischen Produktionsweise“ nähert sich die
amerikanische Kunsthistorikerin Carol Armstrong über eine Reihe von bewusst
simplifizierenden Gegensätzen zwischen Malerei und Fotografie, die sie letztlich
ad absurdum führt, dem sich jeder eng gefassten Gattungszuordnung
widersetzenden Werk von Sigmar Polke an. Auch für das Verständnis von Daniela
Zeilingers künstlerischem Ansatz können Armstrongs Erkenntnisse produktiv
gemacht werden, wenn es heißt: „Malerei ist die Kunst der Manipulation einer
begrifflich zweidimensionalen Fläche mit dem Ziel, im Bewusstsein des Malers
oder der Malerin und hernach im Bewusstsein des Publikums auf etwas zu verweisen
(die Titel abstrakter Gemälde sind unter anderem ein Hinweis darauf, dass dies
unumgänglich ist). Die Fotografie wiederum ist die Kunst des Lichtbildes, das
durch die gesteuerte Automatik einer chemischen Reaktion und/oder digitale oder
ähnliche Vermittlung gegenständlich wird. (Übrigens braucht die Fotografie nicht
unbedingt eine Kamera, genausowenig wie die Malerei einen Pinsel braucht.)“1 Mit
Armstrong gesprochen ist es also die Malerei, die Verweischarakter besitzt,
demnach indexalisch ist, wohingegen die Fotografie nicht nur auf etwas verweist,
sondern der Hervorbringung eines Sujets dient.
Die Faszination bei der Betrachtung von Daniela Zeilingers Bildern liegt nun an
eben dieser Verunklärung herkömmlicher medienspezifischer Zuschreibungen.
Darüber hinaus werfen ihre Bildkonstruktionen ganz grundsätzliche Fragen nach
der generellen Verfasstheit von Bildern auf: Was ist Motiv, was Hintergrund? Was
ist Zentrum, was Beiwerk? Was ist Fakt, was ist produziert, was nur
reproduziert?2 Bei Daniela Zeilinger scheinen all diese Aspekte in einem
fortwährenden Schlagabtausch, was sich nicht zuletzt auch im Titel ihrer
Ausstellung im New Jörg widerspiegelt. „real but not actual, ideal but not
abstract“ verspricht dieser. Zu sehen ist unter anderem die Serie „Lap“,
bestehend aus sechs teils handkolorierten Gelatinesilber-Prints auf Barytpapier,
in denen die Künstlerin einerseits die oben erwähnte mediale wie auch
ontologische Verunklärung vorantreibt, andererseits aber auch ganz deutlich eine
Zuschreibung des Bildes als Abbild vornimmt, indem sie (wie so oft in ihrer
Arbeit) den Bildrand mitthematisiert. Im Gegensatz zu den abstrakten Motiven von
„Lap“ lässt die als „Alp“ betitelte Serie von neun Direktbelichtungen auf
Barytpapier einen Berg als Sujet erahnen. Die Arbeit wirkt wie der Abdruck einer
zunehmend verblassenden Erinnerung, die durch das bildgebende Verfahren
festgehalten werden soll. Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der
verlorenen Zeit“, auf den sich die Künstlerin in ihrer Ausstellung im New Jörg
und besonders in dieser Werkserie bezieht, war hier impulsgebend. Im Fall von
Proust vollzieht sich der Rekonstruktionsakt des Sich-Erinnerns über das
Schreiben. Bei Daniela Zeilinger sind es komplexe bildgebende Verfahren,
vermittels derer sie sich (und uns) in der Vergangenheit Wahrgenommenes
vergegenwärtigt.
1 Carol Armstrong, „Jedes Ende ein Anfang, Mechanik des Flüssigen und/oder
Malerei im Zeitalter der fotomechanischen Produktionsweise“, in: Why Painting
Now, Katalog zum Galerienfestival curated by_vienna, Wien 2013, S. 63.
2 Ebd., S. 64.
Zur Autorin dieses Textes:
Manisha Jothady ist freischaffende Kunstkritikerin und Lektorin an der Akademie
der bildenden Künste Wien. Neben Katalogbeiträgen publizierte sie in den
Tageszeitungen Die Presse und Wienerzeitung sowie in Kunstzeitschriften wie u.a.
Camera Austria, Eikon und Artpapers.