Waiting for a story, hoping for a song
16.10. — 23.10.2020
Eröffnung: 16. Oktober 2020, 17 Uhr
Finissage: 23. Oktober 2020, 15 Uhr
Not a Song
Da ist ein türkises Tuch über die Lehne eines Stuhls geworfen. Eine Glasflasche
steht auf einem hölzernen Beistelltisch. Dazwischen sitzt: Anscheinend Postl. Mit
Kann – dem Maler – verbindet mich eine lange Freundschaft. Postl hingegen: Den
kenne ich nicht.
Er muss zuvor den Raum betreten haben. Er hat sich aus einer Jacke geschält. Er ist
durchs Zimmer geschlurft, um sich schließlich in den Bürostuhl zu setzen. Postls
Laune scheint eine Sache, die im Zuge der Serie nicht unbedingt besser wird.
Bereits in Postl harrt er unerfreulicher Dinge. Dabei ist er Hauptsujet einer
Szene, deren seltsamstes Merkmal sein leicht verrutschter Hautton ist.
In Postl, Postl kippen Farben dann ins Kalte. Postl wird verdoppelt. Er nimmt sein
Auseinanderfallen recht stoisch hin.
Postl, Postl, Postl zoomt deutlich näher. Postls Blicke scheinen zu fragen: „Ist
das wirklich Euer Ernst?“
In Psoplstl fließen dann alle Postls ineinander. Das wachste Auge fragt jetzt
streng von oben. Das dominanteste Ohr ist nach rechts unten gerutscht.
Psoplstl, Postl rahmt schließlich vierfach. Im Innersten hat sich so etwas wie ein
Haupt-Postl konsolidiert. Manches ist gleich, viel hat sich verändert. Verzerrtes
und Verzerrung bilden nun gemeinsam ein letztes Bild.
Ob Postl eine Uhr trägt, lässt sich nicht erkennen. Falls ja, wirft er einen Blick
auf sie und steht dann mäßig entschlossen auf. Er nimmt das Tuch vom Stuhl und
wirft es sich über die Schultern. Müde, aber nicht würdelos, verlässt er
schließlich den Raum.
Ich bleibe noch kurz, um drei Bemerkungen zu machen:
(1) Nur ungern spreche ich von „verzerrtem Realismus“, aber es hat Gründe, wenn
etwas viel zu naheliegend klingt. Kann verzerrt wortwörtlich wie im übertragenen
Sinne. Und seien wir uns doch ehrlich: Ohne dem üblichen Bullshit wird „Realismus“
schnell zu etwas, das vom Konkreten in Kanns Malerei nicht zu unterscheiden ist.
(2) Kanns Bilder sind reflektiert und reflektierend. Sie sind prozesshaft und
tasten sich in Serien an ihre Gegenstände heran. Dabei interagieren sie und stehen
in Wechselwirkungen zueinander. Ich rede nur deshalb nicht von „Rückkopplung“, weil
ich mir ganz sicher keine Kybernetik einfangen will.
(3) Kann planscht nicht im Ironie-Becken. Trotzdem weiß er, dass keine Ironie
meistens auch keine Lösung ist. Nichts macht sich hier schwer, bloß um Gewicht zu
schinden. Man findet Unernst, ohne suchen zu müssen. Gleichzeitig flackert in Kanns
Bildern aber etwas Unheilvolles mit.
Ein Tuch hängt über der Lehne. Eine Glasflasche steht am Tisch. Dazwischen sitzt:
Anscheinend Postl. Man merkt vielleicht: Kann kenne ich seit ewig. Postl hingegen:
Ich kenn ihn nicht.
Text: Christoph Strolz